„Dann schon lieber zusammen allein“
Als ich in den Kurfürstenstift komme, sitzt Karl* in einem samtüberzogenen Sessel und blättert in Magazinen. Sobald er mich bemerkt, springt er auf und bietet mir einen Stuhl an – ein Herr der alten Schule, obwohl es ihm körperlich offensichtlich Mühe bereitet. Karl ist 83 Jahre und Witwer. Als er vor drei Jahren mit seiner Frau in den Kurfürstenstift einzog, war ihm bereits klar, dass er hier wohl etwas länger Zeit verbringen würde als Inge*. „Wobei so ganz“, sagt Karl, „weiß man das ja nie.“
In der ersten Zeit nach ihrem Tod fiel ihm erst einmal auf, welche Arbeiten und Aufgaben Inge ganz selbstverständlich immer übernommen hatte. „Die Rechnungen waren halt am Ende des Monats bezahlt, der Urlaub gebucht oder der Arzttermin vereinbart – ich hatte nie was damit zu tun“, sagt Karl kopfschüttelnd. Obwohl er anfangs von der Idee des betreuten Wohnens nicht sehr begeistert war („Aber auch das hat ja wieder die Inge in die Hand genommen!“), so ist es insbesondere jetzt eine große Erleichterung für ihn.
Man hätte sich hier mit ihm beschäftigt, wenn ihm danach war und ihn in Ruhe gelassen, wenn er es wollte. Die Belegschaft hat ihn an die Hand genommen und ihm beigebracht, wie denn ein Alltag auch alleine funktionieren kann. Jetzt beschäftigt er sich sogar gerne mit Computern und surft im Internet! Aber nun, sagt Karl, müsse er los, er ist nämlich zum Mittag im hauseigenen Restaurant verabredet – danach der Computerkurs und eine Kaffeerunde. „Wenn schon allein“, schmunzelt er, „dann doch wenigstens zusammen allein.“
R. Marx (*Name von der Redaktion geändert)
Kurfürstenstift, 14469 Potsdam, Tel. 0331 /581 680, www.kurfuerstenstift.de