Jäger der Neuzeit
„Das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, sodass dessen Sicherheit bedroht und er in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird.“ So die offizielle präventivpolizeiliche Definition in Deutschland – die Rede ist vom Stalking. potsmunter sprach mit dem Anwalt Dr. Marcus Flinder über Intensität, Gefahr und Möglichkeiten zur Selbsthilfe.
Eine deutliche Mehrheit der Stalkingopfer ist weiblich und über drei Viertel der Täter männlich. Nicht selten kommt es vor, dass ein Teil eines Paares nach dessen Trennung nicht loslassen kann und seine/n Ex-Partner/in verfolgt. Wobei sogleich der Ursprung der Bezeichnung Erwähnung findet: Das englische Wort „to stalk“ stammt aus der Jägersprache und bedeutet „heranpirschen“ oder „hetzen“, im übertragenen Sinne „nachstellen, verfolgen“.
Stalking kann unterschiedliche Ausprägungen haben. Häufig wird den Opfern aufgelauert und es ist eben die unvermutete, physische Präsenz, die beängstigt. Nicht zu unterschätzen ist hingegen auch die psychische Belastung durch Angriffe, bei denen der Täter nicht „vor Ort“ ist, wie bei der Belästigung durch Telefonate, SMS und E-Mails. Dr. Flinder berichtet von Fällen, in denen Täter ihr Opfer hunderte Male am Tag anriefen oder mit E-Mails und SMS, nicht selten Liebesbotschaften, bombardierten. Hinzu kämen die Angriffe in sozialen Netzwerken, die in der Vergangenheit stark zugenommen hätten.
Wie intensiv die Belästigung auch immer sei, Stalking dürfe nicht unterschätzt werden. Zum einen käme es auch immer wieder zu körperlichen Übergriffen, sofern sich eine „günstige“ Gelegenheit biete, weiß Flinder zu berichten. Zum anderen führe es fast immer zu starken psychischen Belastungen der Betroffenen, gar reaktiven Verhaltensmustern wie etwa Abkapselung, Vereinsamung oder Kontrollverhalten.
Wann es zum Problem wird, sei äußerst individuell, meint Flinder. Spätestens dann, wenn eindeutige Signale zum Aufhören ignoriert werden, sollte gehandelt werden. Er rät, sich Freunden und Bekannten anzuvertrauen. Hierdurch kann einiger Druck genommen und Möglichkeiten erwogen werden: Gehe ich zum Anwalt? Wechsele ich die Telefonnummer? Schalte ich die Polizei ein? Insbesondere zu Letzterem sei geraten, denn in Brandenburg gibt es speziell geschulte Beamte, die auf Opfer und Täter eingehen können. Auch bei einem Anwalt sollte man sich über Handlungsmöglichkeiten im konkreten Einzelfall informieren. Aktivwerden ist in jedem Fall empfehlenswert, zumal die Aufklärungsquote in Deutschland bei fast 90 Prozent liegt.
––– von J. Stiebe –––