Liebe und anderer Küchenkummer
Neulich saß ich mit Liebeskummer und einer Freundin am Telefon in meiner Küche. Wir sprachen schon seit einigen Stunden darüber, weshalb der für den Liebeskummer Verantwortliche sowieso nicht der Richtige für mich gewesen war, und hörten damit auch nicht auf, als meine Mitbewohnerin hereinkam, um sich ein Käsebrot zu schmieren. Bevor sie wieder in ihr Zimmer verschwand, wünschte sie mir noch viel Erfolg bei meinen küchenpsychologischen Aktivitäten. Moment mal, was hatte mein Liebeskummer mit Küchenpsychologie zu tun? Weil Liebeskummer immer etwas Psychisches ist, das in meinem Fall zufällig in der Küche stattfand? Dazu muss gesagt werden, dass meine Mitbewohnerin eine unerträgliche Pedantin ist, wenn es um die deutsche Sprache geht. Die Sache mit der Kü̈chenpsychologie war meine Chance, mich für die unzähligen Belehrungen zu rächen, dass es Sinn ergeben und nicht Sinn machen heißen muss. Also beendete ich schnell mein Telefonat und bewaffnete mich im Internet mit Hintergrundwissen. Dort stand, dass das Wort Küchenpsychologie in Anlehnung an Küchenlatein entstanden war, eine Spottbezeichnung für schlechtes Latein, und eine ebenso platte wie naive Verwendung psychologischer Kenntnisse bezeichnete. Mit dem, was in meiner Küche stattfand, hatte das definitiv nichts zu tun! Als meine Mitbewohnerin wenig später wiederkam, um den leergegessenen Teller der Mitbewohnervereinbarung gemäß sofort abzuspülen, definierte ich ihr Küchenlatein und Küchenpsychologie, als flösse Konrad Dudens Blut durch meine Adern. Sie habe das Wort also falsch verwendet, schloss ich meine Ausführung, aber das könne ja jedem mal passieren. Kurz war es still. Das hätte ich gut gegoogelt, sagte sie dann, aber sie wolle einmal die Frage stellen, ob es nicht eher so sei, dass das Wort Küchenpsychologie einer Neudefinition bedürfe. Denn wenn man einmal die einzelnen Wortteile betrachtete, also Psychologie als Nachdenken über zwischenmenschliche Verhältnisse und Küche als räumliche Metapher für das Private, würde man feststellen, dass das Wort eher positiv zu verstehen sei, und natürlich habe sie das auch genauso gemeint. Ja, sie würde sogar so weit gehen zu behaupten, die Welt wäre eine bessere, wenn alle Menschen regelmäßig Küchenpsychologie betrieben. Macht Sinn, sagte ich zähneknirschend. Ergibt Sinn, flötete meine Mitbewohnerin und ging wieder in ihr Zimmer. Wenigstens hatte ich für eine halbe Stunde meinen Liebeskummer vergessen. M. Berg